Um es vorwegzunehmen: Nein, ich habe mir keinen Eimer Eiswasser über den Kopf geleert und mich dabei gefilmt. Ja, ich Spende generell für Nervenkrankheiten wie ALS oder Parkinson. Und definitiv ein grosses JA, ich unterstütze solche Kampagnen wie die ALS Ice Bucket Challenge, weil diese schlussendlich das Bewusstsein für Krankheiten dieser Art fördern, die Forschung finanzieren und dafür zählt jeder Franken. Aber: es geht hier nicht nur um Spass. Man stellt sich einfach die Frage, wie viele Teilnehmer sich dem Thema effektiv bewusst sind und neben einem Video hochzuladen gleichzeitig auch die Kreditkarte ziehen und eine Spende überweisen. Scheinbar sind es mehr als man meint, denn immerhin hat die Kampagne die 75 Mio. $ in Amerika bereits geknackt (Quelle: ALSA).
Was ist ALS?
Bevor ich der ALS Ice Bucket Challenge auf den Grund gehe, möchte ich einige Begriffe und Fakten kurz erläutern. ALS steht für Amyotrophic Lateral Sclerosis, das zentrale Nervensystem des Menschen ist betroffen und führt zu einem kontinuierlichen Abbau der Muskelsubstanz, mit Fortschreiten der Krankheit leben Patienten noch drei bis fünf Jahre. Wie Parkinson gehört auch ALS zu der Gattung der Nervenkrankheiten, Parkinson ist der Allgemeinheit wohl eher bekannt, beide Krankheiten haben einen massiven Einfluss auf den Bewegungsapparat. In Amerika sind rund 30’000 von ALS und rund 1 Mio. Menschen von Parkinson betroffen. Dies Wiederspiegelt sich auch in den gesammelten Spenden im Jahr 2013, rund 39 Mio. $ für ALS und rund 135 Mio. $ für Parkinson. In der Schweiz sind rund 700 Personen von ALS betroffen, rund 15’000 Personen kämpfen mit Parkinson. Weitere Fakten auf der Website der ALS-Vereinigung und der Schweizerischen Parkinsonvereinigung.
Wie hat alles angefangen?
Der Startschuss war am 15. Juli 2014, der Golfer Charles Kennedy wurde durch einen Freund aus Spass aufgefordert sich mit Eiswasser zu überschütten und dies auf Video festzuhalten. Er erweitertet die Idee und spendete für die ALS Association (ASLA) weil sein Cousin an der Krankheit gestorben ist. So ging es weiter und weiter, bis der ehemalige Baseballspieler Pete Frates mitmachte, der selber an ALS erkrankte, dann ging es los mit dem viralen Effekt und die Challenge verbreitete sich zuerst in den USA und dann global. Alle Details auf der Website von The Telegraph.
Wie sieht es mit dem viralen Effekt aus?
Die Zahlen erstaunen selbst eingefleischte Social Media Experten. Auf Facebook wurden bereits über 2.4 Mio. Videos gepostet, innerhalb von 5 Tagen (13. – 18. August) verdoppelte sich diese Zahl von 1.2 Mio. (Quelle: Time). Das Thema wurde bis heute von über 28 Mio. Facebook-Mitglieder diskutiert (likes, shares, comments). Ähnlich sieht es mit andere Social Media Plattformen aus: Twitter 17 Mio. Nennungen (tweets, retweets etc.), 180’000 Videos auf Youtube, 30’000 Blogeinträge, 54’000 Foren-Einträge, 65’000 Nennungen auf Online-News-Plattformen (Quelle: Sysomos). In der folgenden Grafik eine detaillierte Aufteilung der Twitter-Aktivitäten im Zeitraum vom 15. Juli bis 25. August:
Sind die Teilnehmer spendierfreudig?
Die Grundidee wäre ja eigentlich, dass jede Person welche ein Video publiziert und mit seiner Community teilt (shared) auch gleich eine Spende abgibt. Zusätzlich sollte ein viraler Effekt dazu führen, dass die weiteren erreichten Personen ebenfalls mit dem Thema konfrontiert werden und somit ebenfalls spenden. Leider gibt es keine konkreten Zahlen, wer wie viel gespendet hat. Wenn im Schnitt jeder aktive Teilnehmer (Video hochgeladen auf Facebook) die geforderten 10 $ spenden würde, kämen gesamthaft ca. 24 Mio. $ zusammen. Gemäss aktuellste Zahlen wurden bis am 26. August rund 75 Mio $ gespendet, dies von rund 1.7 Mio. Spendern (existierende und neue) getätigt. Hier sprechen wir lediglich von den USA, die Spenden an die lokalen ALS-Organisationen fliessen in diese Analyse nicht ein. Rein subjektiv bin ich der Meinung, dass in Anbetracht der vielen zusätzlich generierten medialen Kontakte und der erreichten Personen der gespendete Betrag höher sein sollte. Man kann Spendenaufrufe nicht direkt miteinander vergleichen, aber hier einige Denkanstösse. Im Rahmen der Katastrophe vom 9. September wurden allein in den USA über 560 Mio $ an das rote Kreuz gespendet (Quelle: Fortune). Die Glückskette Schweiz hat für die Tsunami-Katastrophe rund 227 Mio. CHF gesammelt (Quelle: NZZ) und das beinhaltet nur die Spenden der Schweizer Bevölkerung.
Was geschieht mit den ganzen Spenden?
Grundsätzlich ist die ALSA frei in der Verwendung der Spenden. Es gibt aber klare Vorschriften von Aufsichtsorganen für Non-Profit-Organisationen wie Charity Navigator oder Charity Watch. Basierend darauf hat die ALSA im Jahr 2013 rund 72% aller Spenden für Programme, Forschung und den Aufbau von Kliniken verwendet, 11% ging zu Lasten administrativer Kosten und 16% für die Generierung weitere Spenden (Fundraising). Zusätzlich gibt es teilweise die Auflage die Spenden im gleichen Fiskaljahr zu verwenden. Nicht so einfach wie man denkt, wenn sich das Spendenaufkommen plötzlich vervielfacht. Die ALSA wird ebenfalls den Weg gehen die Spenden an ALS-Forscher in anderen Ländern zu vergeben, wie beispielsweise in die Schweiz.
Für eine abschliessende Beurteilung wäre sicher der Einbezug von Spenden in den weiteren Ländern ausschlaggebend, das würde Klarheit bringen wie die lokalen ALS-Organisationen davon profitieren konnten. Fundraising und Spendenaufrufe verlangen nach neuen Wegen zur Aktivierung von neuen Spendern. Wenn dafür ein Video mit Spass und Gelächter nötig ist, dann soll es so sein. Kampagnen dieser Art können aber nicht gesteuert oder kontrolliert werden, sie entstehen aus dem Nichts und genau so schnell verschwinden sie wieder, eben viral.
Abschliessend kann man aber sagen, dass mit dieser Kampagne das Bewusstsein in der Bevölkerung für ALS gefördert wurde und Spendengelder für die Bekämpfung der Krankheit generiert wurden. Falls jemand das nächste Mal ein Video mit seinem persönlichen ALS Ice Bucket Challenge auf Facebook publiziert, dann doch gleich mit einem Foto des Einzahlungsscheins mit dem gespendeten Betrag, das wäre doch kreativ. Meines befindet sich am Ende des Artikels!
Hier einige Spendenseiten:
well done schmidt – boys!
Gute Seite und sehr informativ, all the best Marco
Bin auch im Rollstuhl ( kein ALS) und finde die Kampagne super, viele meiner Bekannten haben Teilgenommenen und dazu auch noch gespendet.
Gute Seite sehr informativ,danke.
Gruss Susanne
Ps: werde gleich eine Spende machen
Liebe Susanne. Danke für Dein positives Feedback und für Deine Spende! Bewusstsein fördern steht im Vordergrund und wenn spassige Videos dazu beitragen, dann finde ich das ok, aber das Grundproblem sollte man nie vergessen. Sei dies durch Spenden für ALS oder an eine andere Organisation, Hauptsache es passiert. Alles Gute! Christopher
Auch wenn die Meinungen zu dieser Challenge in die unterschiedlichsten Richtungen gegangen sind, es sind einige Spenden zusammen gekommen, die hoffentlich der Forschung zugute gekommen sind, denn in diesem Bereich wird dringend Geld benötigt.